Klingt gut, darf aber nichts kosten:

Stadt Kleve sucht „Billeteure und Billeteusen“

„Für Interessierte an Kulturveranstaltungen kann ein Ehrenamt eine große Bereicherung sein“ – mit diesen wohlklingenden Worten wirbt die Stadtverwaltung, die 20.000 EUR fürs Ehrenamt auf eine (angeblich nur interne) Kürzungs- und Streichliste gesetzt hatte, seit dem 3. Juli 2023 in den Reihen der Bildungsbürger/innen um unbezahlte Arbeitskraft.

Für Desinteressierte an der Förderung einer vielfältigen städtischen Kulturszene kann die Rekrutierung Freiwilliger zum Abreißen der Karten, Einweisen der Besucher/innen und zum Schließen der Türen ein Beitrag zur Kürzung der Kulturförderung sein, getreu dem Motto: „Klappt doch auch ohne Zuschuss!“

Es bedarf schon eines gewissen intellektuellen Niveaus, um sich unter „Billeteure und Billeteusen“ etwas vorzustellen, das mit Kartenabreißer/in viel zu profan und schnöde übersetzt wäre. Und, in der Tat, es geht um mehr als um die Kontrolle der Tickets!

Die erlesene Schar der „Billeteure und Billeteusen“ öffnet und schließt die Saaltüren, ist Ansprechperson und Wegweiser für die Besucher/innen. Diese wichtigen Aufgaben wurden früher offenbar von Engeln, Heinzelmännchen oder schlecht bezahltem Personal übernommen. Und hier wird es eine deutliche Änderung geben: Es wird nicht mehr schlecht bezahlt, sondern gar nicht mehr!

Denn diese Stadtverwaltung setzt offensichtlich auf unbezahlte Arbeitskraft, auf die freudige Bereitschaft zur Selbstausbeutung, um den Veranstaltungsbetrieb der Stadthalle (!) gewährleisten zu können. Ist die Stadt so knapp bei Kasse? 2022 konnten doch mehr als 10 Mio. EUR der Rücklage zugeführt werden!

Seit wann ist die Stadt als Veranstalterin oder als Vermieterin der Stadthalle darauf angewiesen, Personal ohne Entlohnung zu stellen bzw. anzuwerben? Wie will die Stadt gewährleisten, dass ausreichend viele „Billeteure und Billeteusen“ zur Verfügung stehen? Welchen Versicherungsschutz haben diese?

Versüßt wird der per Pressemitteilung aus dem Rathaus verbreitete Appell, für die Stadt zu arbeiten, ohne dafür wenigstens den Mindestlohn zu bekommen, durch die Mitteilung, während der Veranstaltungen hätten „Billeteure und Billeteusen“ ihren „eigenen Platz im Saal und könnten die Veranstaltungen kostenlos miterleben.“

Verschwiegen wird, dass sie früher als alle Besucher/innen in der Stadthalle sein müssen und dass sie den Veranstaltungsort als letzte verlassen können. Unerwähnt bleibt, dass daraus eine Präsenzpflicht entsteht, die die reine Veranstaltungsdauer um 100% verlängert.

Während das Publikum längst zuhause ist oder noch irgendwo einkehrt, müssen, nein dürfen „Billeteure und Billeteusen“ noch arbeiten: Ordnung schaffen und Türen abschließen. So spart die Stadt am Personal. Und sie braucht ja diesbezüglich jeden Cent – nicht für die Kultur, sondern für eine weitere Beamten-Stelle beim Bürgermeister.

Sollten sich Freiwillige finden, die gerne „Billeteure und Billeteusen“ werden und damit mehr als nur eine Eintrittskarte kontrollieren wollen, dann würde die damit verbundene Bereitschaft zum unbezahlten Arbeitseinsatz in der Stadthalle eines ganz gewiss nicht verhindern, sondern eher beschleunigen: die Kürzung des Kulturetats der Stadt!

Denn wenn es der Stadt gelingt, im Kulturbereich allmählich aus der Verantwortung und Verpflichtung für gute Rahmenbedingungen auszusteigen, dann droht mithilfe des Appells ans „Ehrenamt“ der Kinder- und Jugendarbeit ein ähnliches Schicksal.