„Sommerfieber“ im Baudezernat

Übernimmt neuer Baudezernent einen leeren Schreibtisch?

Ist es die Besorgnis, Kleves künftiger Baudezernent könnte die „Architekten-Petersilie“ eines Jürgen Rauer durch tatkräftigen Klimaschutz ersetzen, die Kleves Bauverwaltung offensichtlich veranlasst hat, „vor der Sommerpause“ zahlreiche Bauvorhaben durch den Rat zu peitschen? Oder ist es einfach nur das Bestreben, dem neuen Baudezernenten Christian Bomblat einen Schreibtisch ohne Altlasten zu hinterlassen?

An einem zweifeln wir nicht: Mit der bevorzugten Bedienung der Interessen von Investoren und Bauherren hat das garantiert nichts zu tun! Es ist einfach nur der Dienst am Kunden, der das personell angeblich auf dem Zahnfleisch gehende Baudezernat motiviert, noch vor der Sommerpause, in der Christian Bomblat am 1. August sein Amt als Technischer Beigeordneter antreten wird, Fakten zu schaffen.

Plötzlich geht, was in der Regel aufgrund personeller Überbelastung der Mitarbeitenden im Baudezernat als unmöglich bezeichnet und vom Noch-Baudezernenten Rauer schon einmal mit der Bitte um weniger Anträge aus der Politik unterfüttert wurde: Das Baudezernat hat offensichtlich doch die Kapazitäten, um gleich mehrere Bauvorhaben parallel zu bearbeiten.

Da wird in nichtöffentlicher Sitzung des Bauausschusses eine externe Planung für das Bahnhofsumfeld an die Wand geworfen (ohne Sitzungs- oder Tischvorlage), die den Ausschussmitgliedern (soweit sie nicht der schwarz-grünen Führungsschicht angehören) bis heute nicht vorgelegt worden ist. Zugleich zaubert die Bauverwaltung eine „Arbeitsgruppe“ aus dem Hut, der die Planung Mitte Juni vorgestellt und schmackhaft gemacht werden soll.

Welche Bauvorhaben sollen vom Rat in seiner Sitzung am 21.06.2023 abgesegnet werden? Welche Investoren/Bauherren benötigen jetzt „grünes Licht“ und zugleich die Sicherheit, dass der neue Baudezernent, der Klimaschutz ernstnimmt, daran gehindert wird, intern längst getroffene Absprachen zu gefährden oder gar aktiv zu verhindern?

Hier eine kleine Auswahl:

Bebauungsplan Nr. 2-366-0 für den Bereich Köstersweg/ Hoher Weg im Ortsteil Kellen:

Die Stadt will ein reines Wohngebiet im Außenbereich in „Urbanes Gebiet“ (= Wohnen plus Gewerbetriebe) umwandeln. In der Begründung dafür findet sich folgender Schwurbelsatz: „Der Bereich ist ein Außenbereich im Innenbereich, da die überplante Fläche eine Größe überschreitet, welche nicht in typischer Weise dem Innenbereich zugeordnet wird.“

Die vorhandenen Windströmungen, die sich ja aufs Stadtklima auswirken, werden nicht dargestellt. Sie sollen durch die Zwischenräume der Gebäude weitergeleitet werden (da lässt der Wind bestimmt mit sich reden). Die Gebäudeausrichtung werde so gewählt, dass eine Verschlechterung der Durchlüftung für die hinterliegenden Gebäude nicht zu erwarten sei. Das Niederschlagswasser soll in die Kanalisation rauschen, wenn auch verzögert. Und die Klimaauswirkungen sollen ernst noch überprüft werden. Die Vorgartenbereiche dürfen zu mindestens 50 % versiegelt werden.

Bebauungsplan Nr. 1-350-0 für den Bereich Briener Straße/ Leinpfad:

Keine Verbesserung gegenüber früherer, von OK abgelehnter Planung. Hinzu kommt, dass bis zu 50% der Vorgärten versiegelt werden und dass die maximalen Gebäudehöhen von bis zu 18 Metern für die Nutzung erneuerbarer Energien „ausnahmsweise“ um bis zu 1,5 Meter überschritten werden dürfen. Und Anlagen zum Abstellen von Fahrrädern werden nicht etwa vorgeschrieben,  sondern nur ausnahmsweise zugelassen. Auch dieser Bebauungsplan ist nicht mit der Stadtklima-Analysekarte abgeglichen worden.

Bebauungsplan 5-349-0 für den Bereich Eichenwinkel/ Pastoratsweg im Ortsteil Reichswalde:

Eine Freifläche (ein ehemaliger Spielplatz, der bereits „aus Versehen“ abgeräumt wurde) soll bebaut werden. Die Versiegelung sei aus klimatischer Sicht angeblich vertretbar, weil ja der angrenzende Bereich einen hohen Grünanteil aufweise. Auch hier ist eine Versiegelung der verbleibenden Freiflächen von bis zu 50% zulässig. Eine Überschreitung der maximalen Höhe von 9,25 Meter bei Nutzung erneuerbarer Energien ist möglich. Und das kleve-typische Staffelgeschoss wird auch hier zugelassen. Ein Abgleich mit der Stadtklima-Analyse-Karte ist nicht erfolgt.

Aufstellung einer Satzung gemäß § 34 Absatz 4 Nr. 3 Baugesetzbuch für den Bereich Nieler Straße im Ortsteil Keeken:

Eine Freifläche soll bebaut werden, weil eine Bauvoranfrage für zwei Einfamilienhäuser im Bereich der Nieler Straße vorliegt. Dieser Bereich wird jedoch derzeit (noch) als Außenbereich gewertet, so dass für diese Vorhaben kein Baurecht vorliegt.

Um Baurecht für diesen Bereich zu schaffen, soll eine Satzung aufgestellt werden. Damit wird die Freifläche kurzerhand zum „Innenbereich“ erklärt. Klimaschutzfestsetzungen sind mit dieser Satzung nicht möglich. Es sollen ausschließlich Einfamilienhäuser entstehen; ausdrücklich wird die „Sicherung der Kleinteiligkeit“ betont. Ein Abgleich mit Stadtklima-Analyse-Karte ist selbstverständlich nicht erfolgt.

Man erkennt deutlich die Absicht der Bauverwaltung unter ihrem scheidenden Dezernenten und ist verstimmt, aber nicht überrascht. Mit welcher Dreistigkeit auch noch die augenfälligste Bedienung individueller Interessen, in Kombination mit weiterer Versiegelung, zu einer Maßnahme des Klimaschutzes hochgejubelt wird, ist eine Leistung, der man die Bewunderung wohl nicht versagen kann.

Investoren und deren Projektleiter können jubeln. Ihre Erwartungen werden bedient, ihre Wünsche werden erfüllt. Das alles in einem atemberaubenden Tempo, das nur einen Schluss zulässt: Die Angst davor, der neue Technische Beigeordneter könnte andere Prioritäten setzen, muss sehr groß sein.