Märchenstunde im Bauausschuss
Für den Bereich um das alte Hallenbad – zwischen Kermisdahlufer. Königsgarten und Stadtbadstraße bis Hausnummer 15 – hat die Stadtverwaltung einen Bebauungsplanentwurf vorgelegt, für den der Rat schon am 17. Mai 2023 das Aufstellungsverfahren in Gang setzen soll. Das Grundstück gehört den Stadtwerken.
Schon einmal – im Jahr 2019 – hatte die Stadtverwaltung einen Entwurf vorgelegt. Damals wollte man nicht nur das Stadtwerke-Grundstück überplanen, sondern auch städtische Areale. Alle Fraktionen lehnten die Planung ab. Besonders vehement die CDU und die Grünen.
Jetzt wird ein neuer Anlauf unternommen, das Stadtwerke-Grundstück zu vermarkten. Deshalb soll ein neuer Bebauungsplan her. Das überplante Gebiet – siehe oben – wird von der grünen Fraktionsvorsitzenden als “Erholungsgebiet” besungen, was sie und ihre Fraktion aber (noch) nicht veranlasst hat, der von der Stadtverwaltung dort als “Art der baulichen Nutzung” vorgesehene Ausweisung als “Urbanes Gebiet” klar und eindeutig zu widersprechen oder die Vorlage gar abzulehnen.
Denn in einem “Urbanen Gebiet” wären Geschäfts- und Bürogebäude sowie “sonstige Gewerbebetriebe” zulässig. Und wenn man berücksichtigt, dass zur Stadtbadstraße Gebäude mit einer Länge von mehr als 50 Metern (Höhe 10,5 Meter) ermöglicht werden sollen, dann wird schnell klar, dass von einem “Erholungsgebiet” dann nicht mehr die Rede sein kann. –
Was sind “sonstige Gewerbebetriebe”? Sie werden definiert als “der Versorgung des Gebietes dienende Handwerksbetriebe – unabhängig von ihrem Störungsgrad – und nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe.”
Aber auch dann, wenn man der grünen Betroffenheitsprosa nichts abgewinnen kann, weil man sich lieber ganz realpolitisch mit dem beschäftigt, was vor Ort an Nutzung vorhanden ist, dann muss man Alarm schlagen:
Mehr als die Hälfte des Bebauungsplangebiets ist mit umweltgefährden Stoffen im Boden belastet. Das belastete Gebiet reicht bis “In den Galleien”. Was dort im Boden vergraben liegt und offenbar sowohl Beton porös werden lässt als auch Moniereisen angreift – das wissen nur der Grundstückseigentümer (Stadtwerke) und die Stadtverwaltung. Dem Rat (oder wenigstens den Mitgliedern des Bau- und Planungsausschusses) hat die Stadtverwaltung bis heute die Gutachten nicht zur Verfügung gestellt.
Dass es sehr ernst sein muss, belegte nicht nur die temporäre Sperrung des Spielplatzes. Auch der Hinweis in der Sitzungsvorlage, dass sämtliche Baumaßnahmen mit der Unteren Bodenschutzbehörde (Kreis Kleve) abzustimmen seien, deutet keine Entwarnung an.
Hinzu kommt, dass die Tragfähigkeit sehr eingeschränkt sein soll, da bei Unterkellerung aufwendige Maßnahmen für Grundwasserhaltung und Verbau erforderlich wären.
Während optisch im Planentwurf sieben Bäume mit großer grünen Krone eingezeichnet sind, was Insider als “Architekten-Petersilie” bezeichnen, die angeblich erhalten werden sollen (im alten Plan sollten am Königsgarten drei Bäume gefällt werden), haben es die nüchternen Zahlen in sich:
Von insgesamt 23 Bäumen (plus einigen Büschen) sollen nur sieben nicht gefällt werden.
Im Bereich zum Kermisdahlufer hin sollen rd. 60% der Fläche überbaut werden (2019 sollten 40% reichen). Und während dort 2019 grundsätzlich maximal zweigeschossig gebaut werden sollte, sollen jetzt drei Vollgeschosse zulässig sein.
Und die Wuchtigkeit der dort vorgesehenen Bebauung lässt sich immerhin erahnen: die maximale Geschossflächenzahl, die bis zu 1,8 beträgt, übertrifft die heutzutage für Neubauten in den meisten Fällen üblichen 1,0 bis 1,2. Es wird also höher, kompakter und “breiter” gebaut.
Dass bis zu 50% des restlichen Plangebiets versiegelt werden dürfen, ist Klever Standard, der weiterhin zur Anlage von Schottergärten ermutigt, aber als Maßnahme zum Klimaschutz ausgegeben wird.
Die Stadtverwaltung weist in der Begründung des Planentwurfs darauf hin, dass eine “großzügig dimensionierte Fläche ausgewiesen” werde, “um hier einen möglichst flexiblen Spielraum hinsichtlich des Ausgestaltung zu geben und innovativen Ideen Raum zu geben.”
So wie aus einer Ente kein Adler wird, so wenig ist zu erwarten, dass ein Investor/Bauherr, der dieses Grundstück mit Altlasten erwirbt, es sich leisten kann und will, den Kaufpreis nicht durch maximale Ausnutzung seiner Bebauungsmöglichkeiten zu refinanzieren bzw. langfristig Profit daraus zu ziehen. Und dass der Kaufpreis – trotz Altlasten – sehr hoch sein wird, ergibt sich aus Erwartung auf Seiten der Stadt und der Stadtwerke, den Verkaufserlös zur Darlehenstilgung für das neue Sternbuschbad heranzuziehen.
Wer könnte einen Investor daran hindern, das zu bebauen und so zu bauen, was und wie der Bebauungsplan es zulässt?
Übrigens noch ein Aspekt des “Erholungsgebiets”, das die Stadtverwaltung hier angeblich – zum Wohl der Stadt – einer besseren Nutzung zuführen will: Indem dieser Bereich als “Urbanes Gebiet” ausgewiesen wird, gilt tagsüber ein höherer Immissionsrichtwert von 63 dB(A) im Vergleich zu 60 dB(A) in Kern- oder Mischgebieten. Jede Verdopplung des Schalldrucks bedeutet eine Erhöhung um einen Wert von 3 dB, d.h. 63 dB ist sozusagen doppelt so laut wie 60 dB. Eine Erhöhung des Schallpegels um “nur” 3 dB entspricht der Verdopplung der Schallintensität.
Dass dieser Bebauungsplan ohne die grundsätzlich vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung auf die Reise geschickt werden soll, kann wohl nicht überraschen. Zwar wären beispielsweise die Auswirkungen auf Boden, Wasser, auf den Menschen und auf seine Gesundheit bei der Aufstellung “insbesondere zu berücksichtigen”, aber mit der entsprechenden Mehrheit im Rücken kann die Stadt darauf auch verzichten. So wird es kommen.
Ohne Umweltverträglichkeitsprüfung (trotz Altlasten im Boden!) liegen dann ja auch keine Ergebnisse vor, die der Rat vor der finalen Beschlussfassung abzuwägen hätte.
Am 10. Mai im Haupt- und Finanzausschuss sowie am 17. Mai im Rat wird der Schutz dieses “Erholungsgebiets” auf der Tagesordnung stehen. Dort werden die Offenen Klever ihren Antrag, den Bebauungsplan auch im Ausschuss für Kultur und Stadtgestaltung zu beraten (eine CDU-Forderung aus 2019) sowie – aufgrund der Altlasten im Boden – auch im Ausschuss für Klima-, Umwelt- und Naturschutz zu diskutieren, zur Abstimmung stellen.
Im Bau- und Planungsausschuss wurde die Abstimmung nicht durchgeführt, nachdem die Grünen am Ende der Diskussion überraschend “Fraktionsberatung” beantragt hatten. Das bedeutet: keine Abstimmung im Fachausschuss.