Haushalt 2022:

Springprozession

Coronabedingt haben die Offenen Klever in der Ratssitzung am 15. Dezember 2021 auf eine Haushaltsrede verzichtet. Zum Nachtragshaushalt 2022 stellen wir fest:

Nur fünf Monate nach Verabschiedung des Haushalts 2022 durch den Rat hat sich die Deckungslücke mehr als verdreifacht: Statt des „planmäßig“ erwarteten Defizits in Höhe von rd. 1,1 Mio. EUR rechnet Kämmerer Keysers jetzt mit einem Fehlbetrag von 3,9 Mio. EUR.

Die Deckungslücke von 3,9 Mio. EUR soll durch Entnahme aus der Ausgleichsrücklage geschlossen werden. Dabei handelt es sich aber wieder um einen Geldspeicher noch um eine Schatzkiste, sondern um eine rein buchungstechnische Operation, die jedoch das Eigenkapital der Stadt reduziert.

Die Gründe für die Verdreifachung des „Fehlbetrags“ im Haushalt 2022 haben weder etwas mit coronabedingten Mehrausgaben noch mit Steuerausfällen zu tun. Im Gegenteil: Kleve nimmt bei der Gewerbesteuer sogar 1 Mio. EUR mehr ein als im Haushalt veranschlagt worden ist.

Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf den städtischen Haushalt sind vergleichsweise gering: Aufwendungen von 1,44 Mio. EUR stehen Kostenerstattungen von 1,3 Mio. EUR gegenüber, sodass die Stadt lediglich eine Netto-Belastung von rd. 137.000 EUR zu verkraften hat.

„Hausgemacht“ sind Mehrausgaben in Millionenhöhe vor allem durch das ehrgeizige Investitionsprogramm. Das hier endlich Prioritäten gesetzt werden müssen, räumt die Stadtverwaltung immerhin ein, wenn auch abstrakt formuliert: „Die Ein- und Auszahlungen für den Bereich Tiefbau wurden den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst.“ (S. 6)

Im Detail sieht das so aus:

  • + 1,5 Mio. EUR für Sportzentrum Oberstadt (Vorziehen der Maßnahme, darin um 500.000 EUR höhere Baukosten)
  • + 1,7 Mio. EUR für Sportzentrum Kellen (Vorziehen der Maßnahme, darin um 700.000 EUR höhere Baukosten)

Hinzu kommen Mehrausgaben von 2,2 Mio. EUR für die Sanierung der Ringstraße, deren aktuelle Kostenschätzung den Schwellenwert für eine EU-weite Ausschreibung erwartungsgemäß längst weit überschritten hat. Dieser Mehrausgabe steht wenigstens eine um 1,2 Mio. EUR höhere Kostenerstattung durch das Land gegen! „Netto“ ergibt das für die Ringstraße eine Mehrbelastung für den Haushalt in Höhe von 1 Mio. EUR.

Und das ist längst noch nicht das Ende der Fahnenstange! Im Nachtragshaushalt kann man eine „Reservekasse“ entdecken, aus der die Stadt eine weitere Kostensteigerung finanzieren könnte, ohne dafür den Rat einzuschalten: Das Tiefbauvorhaben in der Pannofenstraße wird in das Jahr 2023 verschoben „und die Mittel an das Bauvorhaben an der Ringstraße übertragen.“ (S. 203) Die mit dem Nachtrag auf 2023 verschobene Maßnahme in der Pannofenstraße wird dann auch gleich teurer…

Ebenfalls verschoben auf 2023 wird die Tiefbaumaßnahme in der „Hohen Straße“. Neubaumaßnahmen der Kindertagesstätten – mit einer Ausnahme „(…) verschieben sich in die Folgejahre.“ (S. 165) „Folgejahre“: das ist keine Perspektive, die Eltern erfreuen wird!

Das führt dazu, dass die Investitionen im Kernhaushalt um 7,7 Mio. EUR auf rd. 20,4 Mio. EUR steigen; diese Steigerung wird nahezu vollständig durch Erhöhung der Kreditaufnahme um 6 Mio. EUR finanziert.

Schaut man sich die Wirtschaftspläne des Gebäudemanagements und der Umweltbetriebe an, dann wird deutlich, dass wir es haushalts- und finanzpolitisch mit „tickenden Zeitbomben“ zu tun haben. Die Stadt versucht, diesen im Stile einer „Springprozession“ zu entkommen. Zahlreiche Kanalbaumaßnahmen werden ganz oder teilweise auf 2023 verschoben. Auch die Planung zum Ausbau der Keekener Straße wird verschoben. So „spart“ man 2022 rd. 330.000 EUR…

Das Gebäudemanagement veranschlagt bei Investitionen für 2023 Mehrkosten in Höhe von 2,4 Mio. EUR, die vollständig kreditfinanziert werden. Insgesamt werden Kredite in Höhe von 30 Mio. EUR aufgenommen, die hier „geparkt“ werden. Das führt zu 100.000 EUR höheren Zinsausgaben für aufgenommene und neue Kredite.

Die Kassenkredite zur Überbrückung fehlender liquider Mittel werden um 5 Mio. auf 15 Mio. EUR erhöht. Verpflichtungsermächtigung, also Ausgaben, die spätere Haushalte belasten werden, werden um 30 Mio. EUR auf fast 100 Mio. EUR erhöht! Der Neubau des KAG wird jetzt auf 54,5 Mio. EUR geschätzt, für den Ausbau der „Joseph-Beuys-Gesamtschule“ werden Mehrkosten von 16,5 Mio. EUR erwartet, insgesamt 63,5 Mio. EUR.

Die „Offenen Klever“ halten es nicht für ausgeschlossen, dass mindestens eine dieser Schulen auf einen Neubau verzichten muss.

Während für Fertigstellung der Tribüne Bresserberg, deren unverzügliche Sanierung der damalige CDU-Bürgermeisterkandidat vor zwei Jahren von der damaligen Bürgermeisterin vehement gefordert hatte, 500.000 EUR veranschlagt sind, stehen 135.000 EUR für WC-Anlage „An der Münze“ noch unter dem Vorbehalt der Prüfung, ob ein Neubau nicht doch wirtschaftlicher sei. Also: abwarten und sich in Geduld üben!

Die Umweltbetriebe stellen die „Reservekasse“ das Kämmerers dar: Der Jahresüberschuss, der in die Stadtkasse fließt, wird 2022 zu rd. 80% aus dem Plus bei den Abwassergebühren finanziert. Zwischen 2020 und 2025 sind gebührenfinanzierte Überschüsse von mehr als 11 Mio. EUR veranschlagt, die in die Stadtkasse fließen. Das widerspricht nicht nur dem Grundgedanken und der Konzeption der Gebührenfinanzierung, wonach Benutzungsgebühren keine Überschüsse erzielen, sondern kostendeckend sein sollen; es ist laut aktueller Rechtsprechung (Oberverwaltungsgericht) auch offensichtlich rechtswidrig. Im Nachtraghaushalt findet sich dazu aber leider keine Aussage.

Ausgerechnet beim Thema „Klimaschutz“ will der Bürgermeister auf die Bremse treten. Maßnahmen sind „neu priorisiert“ worden. Die Absicht der Stadtverwaltung, beim Klimaschutz mit dem Nachtragshaushalt zu entscheiden, wo gebremst, wo beschleunigt und wo der Leerlauf eingeschaltet werden soll, ist dem Fachausschuss nicht vorgestellt, geschweige denn, in Abstimmung mit dem Fachausschuss zum Beschluss erhoben worden! Das soll heute, pauschal, gebilligt werden.

Künftig sollen, so die Mitteilung von Bürgermeister und Kämmerer an die Ratsmitglieder, nur solche Projekte begonnen oder Vorhaben gefördert werden, die eine hohe Außenwirkung entfaltenund„die kurzfristig eine hohe Symbolkraft entwickeln.“ (Seite 9) – Dass in dieser Formulierung sowohl der Verzicht auf Nachhaltigkeit als auch der Wille zum PR-Effekt ungeschminkt zum Ausdruck kommt, belegt, dass diese Stadtverwaltung den Ausschuss für Klima-, Umwelt- und Naturschutz nicht ernstnimmt, nicht ernstnehmen muss.

Die offenherzige Aussage im Nachtragshaushalt, „nach aktuellem Stand (…) werden die Treibhausgas-Reduktionsziele bis 2045 nicht erreicht, da der Klimaschutzfahrplan für eine Laufzeit bis 2050 konzipiert ist (…)“ (Seite 10),wird als alternativlos dargestellt.

Die Stadtverwaltung hat, ohne Beteiligung des Fachausschusses, entschieden, der Klimafolgenabmilderung höhere Priorität beizumessen als der Treibhausgasreduktion, garniert mit dem Satz, die Stadt müsse „kurzfristig auf höhere Temperaturen vorbereitet werden (…).“ Auch dieser Abgesang auf die CO2-Reduktionsziele stellt eine Grundsatzentscheidung, eine Weichenstellung dar, die hier und heute, ohne Beratung und Beschlussfassung in einem Fachausschuss vorgenommen werden soll.

Dass rd. ein Viertel der im Klimaschutzfahrplan enthaltenen Maßnahmen noch nicht begonnen worden ist, kann nicht überraschen, da ja selbst in den Fällen, in denen – unter ausdrücklicher Berufung auf den Klimaschutzfahrplan – ein entsprechender Antrag gestellt wird (z. B. zum energiesparenden Verhalten der Stadt oder für einen Leitplan zur Klimaanpassung städtischer Gebäude) die Mehrheit der Fraktionen das Nein der Stadtverwaltung stützt.

Der Nachtragshaushalt enthält nüchterne Fakten, die die Behauptung des Baudezernenten aus der letzten Sitzung des Fachausschusses, bei städtischen Gebäuden würde schon jetzt „weitestgehend“ aufs Energiesparen geachtet, eindeutig widerlegt:

Zu den Maßnahmen des Klimaschutzfahrplans, mit denen die Stadtverwaltung noch nicht begonnen hat, zählen unter anderem „Energiesparendes Verhalten in der Verwaltung“, Energiemanagement für die öffentlichen Gebäude“ und „Einsatz erneuerbarer Energien in öffentlichen Gebäuden“.

Für die Software zum Aufbau einer entsprechenden Datenbank, die im Jahr 2019 angeschafft und folglich längst genutzt werden sollte (Klimaschutzfahrplan 2019, S. 53), sind in diesem Jahr 150.000 EUR beim Gebäudemanagement veranschlagt. Das sind mindestens drei verlorene Jahre…

Wenn sich die Mühe macht und beispielsweise die Kennzahlen für Heizung und Strom der Schulen pro Quadratmeter Gebäudefläche berechnet, wird erstaunliche Unterschiede entdecken. Dabei gehen GSK und Stadtverwaltung von der Erwartung aus, wird, dass die Verbräuche bis 2025 grundsätzlich konstant bleiben – also nichts eingespart wird! Hier sehen die „Offenen Klever“ Handlungs- und Korrekturbedarf.

Übrigens: Der Klimawandel hat auch „positive“ Folgen, wie man dem Wirtschaftsplan der USK entnehmen kann: Die Mehraufwendungen von fast 180.000 EUR für „Heißasphalt“ werden so begründet: Aufgrund der zu erwartenden Wetterlage ist davon auszugehen, dass die Straßenunterhaltung mehr Mengen an Heißasphalt als geplant verbauen kann.“ (S. 226).

Einige der im Nachtragshaushalt veranschlagten Mehrausgaben tragen die „Offenen Klever“ mit, wie beispielsweise zusätzliche 1,1 Mio. EUR für den Erwerb von Grundvermögen oder 250.000 EUR für die Aufforstung städtischer Flächen.

Statt einer „Springprozession“ des Vorziehens und Verschiebens von Investitionen sollten Bürgermeister und Rat jedoch versuchen, den „Wunschzettel“ der Investitionsvorhaben nachhaltig zu betrachten und in einer Prioritätenliste zusammenzufassen.

Investitionen, insbesondere in den „Schattenhaushalten“ des Gebäudemanagements und der Umweltbetriebe, sollten streng geprüft werden, auch und vor allem im Hinblick auf die personellen Ressourcen der Stadtverwaltung. und zwar von Stadtverwaltung und Politik gemeinsam! Doch leider ist der politische Wille dazu noch nicht mehrheitsfähig.

Insgesamt ist der Nachtragshaushalt in seiner aktuellen Fassung für die „Offenen Klever“ nicht zustimmungsfähig. Wir haben ihn abgelehnt.